Verfassungsgericht muss Ampel-Wahlrecht prüfen
Die Ampel hat eine Wahlrechtsreform beschlossen, die nur ihr selbst nutzt. Es ist richtig, dies vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Wie sich die Pläne der Regierungsfraktionen konkret auswirken zeigen einige Rechenbeispiele. Außerdem unter anderem in dieser Ausgabe: Ein „Demokratiefördergesetz“, das eher linke Projekte fördern soll und sich der parlamentarischen Kontrolle entzieht. Und die Ampel blockiert eine Regelung, wie wir Kinder besser vor sexuellem Missbrauch im Internet schützen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Parteifreunde,
der schreckliche Anschlag von Hamburg bestimmt die politische Agenda im Parlament und im Innenausschuss. Der Attentäter hat in einer Kirche der Zeugen Jehovas sieben Menschen erschossen und neun zum Teil schwer verletzt, bevor er sich selbst tötete. Uns treibt die Frage um, ob die Tat hätte verhindert werden können. Schnell kamen die Rufe nach einer weiteren Verschärfung des Waffenrechts, doch so einfach ist es nicht. Es ist eine bittere Erkenntnis: Bei konsequenter Anwendung der bestehenden Gesetze hätte es nicht zu der Bluttat kommen müssen.
Es ist richtig, wenn sich der Hamburger Innensenator vor seine Leute stellt. Doch wie er darauf kommt, dass die Waffenbehörde „sorgfältig und gut“ gearbeitet habe, erschließt sich mir nicht. Die Waffenbehörde hat dem Täter im Dezember 2022 eine Waffenbesitzkarte ausgestellt. Nur einen Monat später gab es anonyme Hinweise auf eine psychische Erkrankung und seinen Hass auf religiöse Gruppen. Seine Wahnvorstellungen hat der Täter sogar in einem für jedermann erhältlichen Buch festgehalten. Unser Waffenrecht gibt es ohne weiteres her, dass bei psychischen Auffälligkeiten eine Waffe eingezogen werden kann. Der Innensenator muss erklären, warum dies unterlassen wurde und welche Konsequenzen er daraus zieht. Wir brauchen keine neuen Gesetze, wir müssen die bestehenden vollziehen.
Wie es um den Vollzug steht, wollte Innenministerin Faeser untersuchen lassen. Die Antwort auf meine schriftliche Einzelfrage ans Innenministerium ist aus meiner Sicht skandalös: Frau Faeser gibt zu, dass „die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung, die u.a. Art und Umfang einer Evaluierung umfasst, noch nicht abgeschlossen ist“. Im Klartext: Die Ministerin und ihr Haus sind tatenlos geblieben.
Dabei wäre es wichtig, bei den Verfahren anzusetzen. Was für die kommunalen Waffenbehörden gilt, gilt nahezu für die gesamte Verwaltung. Wann endlich erwacht die Ampel aus ihrem Dornröschenschlaf? Bürokratieabbau, schlanke, effektive und digitale Verfahren – meine Wunschliste ist lang. Bei der Ampel stoße ich auf taube Ohren.
Das Ampel-Wahlrecht nutzt nur den Ampel-Parteien
Die Ampel-Fraktionen haben ihren Vorschlag für ein neues Bundestagswahlrecht gegen die Stimmen der Opposition – mit Ausnahme der AfD – im Bundestag verabschiedet. Damit brechen sie mit der guten parlamentarischen Tradition, das Wahlrecht im Konsens aller Parteien im Bundestag zu verabschieden. Das Wahlrecht der Ampel sieht vor:
630 Abgeordnete im Bundestag. Dies sind 32 Mandate mehr als bisher geplant.
Die Grundmandatsklausel wird abgeschafft. Demnach erhält eine Partei nur noch dann Mandate im Bundestag, wenn sie nach dem Zweitstimmenergebnis bundesweit mehr als fünf Prozent der Stimmen erreicht. Die Zahl der direkt gewonnenen Wahlkreise spielt dabei keine Rolle mehr.
Darüber hinaus führt die Ampel eine Kappung von gewonnenen Direktmandaten ein. Gewonnene Wahlkreise führen zukünftig nicht mehr automatisch zu einem Sitz im Deutschen Bundestag, sondern werden nach dem Zweitstimmenergebnis „zugeteilt“. Konkret heißt das: Wenn in einem Bundesland die Zahl der gewonnenen Direktmandate die einer Partei nach dem Zweitstimmenergebnis zustehenden Sitze im Bundestag übersteigt, werden diese gestrichen bzw. „gekappt“. In den Bundestag ziehen also nur jene Direktkandidaten ein, die im Verhältnis zu den anderen Direktkandidaten die besten Erststimmenergebnis errungen haben. Damit werden nicht mehr alle Wahlkreise mit einem direkt gewählten Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten sein.
Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Ich teile das Ziel den Bundestag zu verkleinern uneingeschränkt. Allerdings weist das Ampelkonzept eklatante Schwächen auf, die vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden müssen.
Das Ampel-Wahlrecht nutzt vor allem den Ampel-Parteien und schadet der Opposition. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel richtet sich gezielt gegen Die Linke, die derzeit von von diese Regelung profitiert und nach dem Ampel-Wahlrecht voraussichtlich künftig nicht mehr im Bundestag vertreten sein wird. Die „Kappung“ von Wahlkreisen richtet sich zum einen gegen die Wählerinnen und Wähler, deren direkt gewählte Abgeordnete nun nicht mehr im Bundestag vertreten sind, und zum anderen gegen diejenigen Parteien, die besonders viele Direktmandate erringen – das sind CDU und CSU.
Legt man aktuelle Umfragewerte zugrunde, werden 18 Direktmandate von der CDU gekappt, sechs von der CSU, zwei von der SPD und zwei von der AfD. Die Partei Die Linke wäre gar nicht mehr im Bundestag vertreten. Das Wahlrecht der Ampel führt also dazu, dass insbesondere Wahlkreise in den Großstädten und in Ostdeutschland künftig deutlich weniger im Deutschen Bundestag vertreten sein.
Ein weiteres Zahlenbeispiel verdeutlicht die verfassungsrechtlichen Probleme des Ampel-Gesetzes. Bei der letzten Wahl hat die CSU umgerechnet deutschlandweit 5,2 Prozent der Zweitstimmen und 45 der 46 Wahlkreise (Erststimme) in Bayern gewonnen. Würde die CSU bei der kommenden Bundestagswahl 0,3 Prozentpunkte verlieren und nur auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen kommen, würde die CSU bei gleichem Erstimmen-Ergebnis auf Grund der fehlenden Grundmandatsklausel nicht im Bundestag vertreten sein. Im Ergebnis könnten bis zu neun Millionen Zweitstimmen (jeweils mehr zwei Millionen Stimmen für die CSU und für Linke sowie Stimmen für Kleinstparteien) nicht im Bundestag repräsentiert sein. Das ist aus demokratischer Sicht problematisch.
Kein „Demokratiefördergesetz“ für linke Projekte ohne parlamentarische Kontrolle
Als gäbe es keine anderen Probleme hat die Ampel-Koalition in dieser Woche das sogenannte Demokratiefördergesetz in den Bundestag eingebracht. Ziel des Gesetzes ist es, die finanzielle Förderung demokratiebildender Projekte durch die Zivilgesellschaft neu zu regeln.
So weit so gut. Wesentliche inhaltliche Regelungen lässt der Entwurf jedoch vermissen, ein Großteil der Fördervoraussetzungen soll erst in den – zu einem späteren Zeitpunkt allein vom Familienministerium zu erlassenden – Förderrichtlinien geregelt werden. Die Regierung will also einen Blanko-Check vom Parlament. Ich lehne dies entschieden ab. Es steht zu befürchten, dass dieses Gesetz primär der Förderung von Projekten dienen soll, die der Regierung wohl gesonnen sind. Oder wie es die NZZ schreibt: „Viel Geld für viele linke Organisationen“. Wir brauchen aber eine Zivilgesellschaft, die kritisch auf Staat und Politik blickt. Dass das Gesetz auch aus weiteren Gründen abzulehnen ist, habe ich in meiner Rede im Deutschen Bundestag deutlich gemacht.
IP-Adressen als digitale Beweismittel: Kinderschutz vor Datenschutz
In einer früheren Ausgabe der BerlInfos hatte ich bereits über das Thema IP-Adressen und den Kampf gegen Kinderpornografie berichtet. IP-Adressen sind als digitale Beweismittel gerade bei der Bekämpfung des sexuellen Kindesmissbrauchs im Internet unabdingbar. Ohne Speicherpflicht sind diese digitalen Beweise – wenn eine Tat auffällt – vielfach gelöscht und die IP-Adresse kann keiner konkreten Person mehr zugeordnet werden. In den vergangenen fünf Jahren war das bei mehr als 19.000 Hinweisen der Fall. Das ist ein unerträglicher Zustand. Kinderschutz muss endlich Vorrang vor Datenschutz haben.
Bereits kurz nach einem Urteil des EuGH haben wir als Union in unserem Antrag „IP-Adressen rechtssicher speichern und Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen“ gefordert: Bundeskanzler Scholz muss den Streit im Kabinett beenden und dafür sorgen, dass schnell eine rechtssichere Regelung zur Speicherung auf den Weg gebracht wird. Dabei soll der vom EuGH eingeräumte zulässige Spielraum ausgeschöpft werden – zum Schutz der Kinder und Jugendlichen. Unser Antrag wurde von der Ampel mit deren Parlamentsmehrheit an den zuständigen Rechtsausschuss überwiesen. Dies entspricht den Gewohnheiten des Parlamentsbetriebs. Dass die Ampel die Befassung mit unserem Antrag allerdings seit nunmehr zehn Sitzungswochen blockiert, ist angesichts der Tragweite der Straftaten ein Skandal. Wir haben dies öffentlich gemacht und das Verhalten der Ampel im Bundestag kritisiert. Die Ampel blockiert, die Ampel streitet und sie steht sich dabei selbst im Wege.
Beste Grüße aus Berlin
Ihr Marc Henrichmann
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