Gipfel in Brüssel und Berlin
Im vergangenen Jahr hat Deutschland 1,3 Millionen Geflüchtete aufgenommen – so viel wie nie zuvor. Der Trend setzt sich fort. Allein im Januar wurden 30.000 Asylanträge gestellt. Politik ist gefordert: Wir müssen Zuwanderung steuern, Menschen in Not helfen, unsere Kommunen bei der Unterbringung und Integration unterstützen. Auch diese Sitzungswoche zeigte, dass die Bundesregierung und vor allem der Bundeskanzler Realitäten ausblenden.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Parteifreunde,
eine sichere und bezahlbare Energieversorgung, die Steuerung der zunehmenden Migration oder die Unterstützung der Ukraine: Dem Deutschen Bundestag sollte es nicht an Themen fehlen. Bemerkenswert ist, dass die Bundesregierung uns Abgeordnete dennoch ungewöhnlich früh in den Feierabend schickt. Ich kann mich an keine Sitzungswoche erinnern, in der wir über so wenige Gesetzesvorhaben beraten haben. Debatten bis in den frühen Morgen sind sicher nicht zwangsläufig ein Qualitätsmerkmal für die Parlamentsarbeit, aber ein Sitzungsende vor halb elf an einem Donnerstagabend ist schon ungewöhnlich. Die Frage stellt sich: Was eigentlich macht die Ampel? Und vor allem: Was macht Olaf Scholz?
Im vergangenen Jahr hat Deutschland 1,3 Millionen Geflüchtete aufgenommen – so viel wie nie zuvor. Der Trend setzt sich fort. Allein im Januar wurden 30.000 Asylanträge gestellt. Ich habe in dieser Woche mit Vertretern der Deutschen Polizeigewerkschaft gesprochen. Deren klare Aussage: Die Lage ist dramatisch. Das sehen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Münsterland ganz genauso. Sie wissen nicht mehr, wo sie Geflüchtete unterbringen sollen. Vom Bund versprochene Immobilien werden nicht bereitgestellt. Stattdessen werden erste Sporthallen zu Unterkünften.
Zuwanderung: Europäische Lösungen statt deutschen Sonderweg
Jetzt wäre es an der Zeit, den deutschen Sonderweg in der Asylpolitik zu beenden und Lösungen mit unseren europäischen Partnern zu finden. Dazu gibt es in dieser Woche ein Gipfeltreffen der Europäischen Union. Olaf Scholz zeigt sich optimistisch. In seiner Regierungserklärung meinte er, „dass eine Reform des europäischen Asylsystems noch in der laufenden europäischen Legislaturperiode möglich“ sei. Die Zuversicht des Kanzlers vor dem Parlament in allen Ehren, doch woraus speist sie sich?
Tatsache ist: Acht Staaten, darunter Österreich, wollen einen härteren europäischen Kurs in der Asylpolitik. Sie wollen die Außengrenzen schützen und Zuwanderung steuern – die Ampel lehnt das ab. Von diesem Dissens war aber kein Wort in der Regierungserklärung des Kanzlers zu hören, er glaubt unverdrossen an „Fortschritte“ – oder gibt zumindest vor, daran zu glauben. Nach meinem Eindruck verkennt er die Realitäten.
Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Geflüchteten und einen Stopp irregulärer Migration. Wer kein Recht auf Asyl hat, muss unser Land auch wieder verlassen. Unser Fraktionschef Friedrich Merz hat völlig zurecht kritisiert, dass sich Scholz nicht mit den Vorschlägen der schwedischen Ratspräsidentschaft befasst habe. Diese sehen unter anderem eine härtere Gangart gegenüber Ländern vor, die ihre Staatsbürger nicht zurücknimmt, obwohl diese kein Aufenthaltsrecht in der EU haben. Gut, dass es erste Signale dafür gibt, die EU-Außengrenzen zu stärken.
Zu wenig Wohnungen, Kita-Plätze, Sprachkurse…: Bund lässt Kommunen allein
Es ist völlig unstrittig, dass Deutschland Menschen in Not hilft. Das gilt für Geflüchtete aus der Ukraine genauso wie für die Opfer der Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion. Es muss aber genauso unstrittig sein, dass eine Bundesregierung die wachsende irreguläre Migration nicht auch noch fördert. Doch Scholz lässt unsere Städte und Gemeinden mit der wachsenden Zuwanderung allein. Viele Kommunen wissen nicht mehr, wo sie geflüchtete Menschen unterbringen sollen. Sie haben keine Wohnungen, es fehlen Kita-Plätze, Lehrer, Sprachkurse. Integration kann so nicht gelingen. Ich fürchte um die Geschlossenheit unserer Gesellschaft. Es kann deshalb keine Frage sein: Die Migrationspolitik muss Chefsache werden.
Auch hier duckt sich Scholz weg. Der Flüchtlingsgipfel am kommenden Donnerstag findet nicht im Kanzleramt, sondern im Innenministerium statt. Vertreter der Länder und der kommunalen Spitzenverbände sollen mit Innenministerin Faeser sprechen. Sie ist in Gedanken längst im hessischen Wahlkampf angekommen, ihr fehlen zudem wichtige Kompetenzen des Kanzlers in Fragen der Finanzen und der Unterbringung. Fragen, auf die die Kommunen dringend Antworten brauchen. Dort nehme ich wachsenden Frust wahr, auch seitens der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Dass unsere Kommunen weitgehend geräuschlos ihre Arbeit erledigen, verkehrt sich mittlerweile zu einem Nachteil: Die Bundesregierung nimmt die Lage nicht ausreichend wahr. Ich wünsche mir, dass sich dies nach dem Gipfel am Donnerstag ändert. Ich gebe aber zu, dass ich skeptisch bin.
Erleichterung fürs Ehrenamt: Vereinsrecht lässt auch digitale Versammlungen zu
Dennoch gibt es auch Gutes zu berichten. In dieser Sitzungswoche haben wir im Bundestag beschlossen, dass Vereine ihre Mitgliederversammlung künftig auch online abhalten können – wenn sie das möchten. Natürlich ist Vereinsleben ohne persönliche Begegnung kaum denkbar. Aber in der Corona-Zeit haben sich digitale Versammlungen bewährt. Nach dem Auslaufen der Covid-Gesetzgebung sind sie jedoch nicht mehr möglich, wenn es nicht die Satzung hergibt.
Die Union hat das Thema mit Unterstützung der Vereine immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt – und die beharrliche Oppositionsarbeit hat sich gelohnt. Zu lange hat die Ampel die Vereine im Regen stehen lassen. Die beschlossene dauerhafte Neuregelung im Vereinsrecht bedeutet nun eine echte Vereinfachung der ehrenamtlichen Vereinsarbeit. Wenn es die Mitglieder beschließen, kann eine Versammlung komplett online stattfinden. Für eine hybride Versammlung, bei der sich die Mitglieder je nach Wunsch am Veranstaltungsort treffen oder sich digital zuschalten, reicht ein Beschluss des Vorstands. Die Vereinssatzung muss nicht geändert werden.
Wir ermöglichen der Vereinsarbeit, die gerade bei uns im Münsterland so vielfältig ist, damit mehr Flexibilität. Die Vereine selbst wissen schließlich am besten, wie eine Mitgliederversammlung am besten stattfinden soll. Dass es nichts Schöneres gibt als das persönliche Gespräch, weiß ich aus vielen Begegnungen im Wahlkreis sehr wohl.
Beste Grüße aus Berlin
Ihr Marc Henrichmann